Der Nationalpark liegt nur ca. 70 km östlich von Tallinn, wird deshalb auch von vielen Tagesausflüglern angefahren. Wir wollten aber gegen Ende nochmal ein paar Tage entspannen und etwas mehr Zeit zum Erkunden haben, drum haben wir uns ein kleines Appartment in Altja gebucht - auf dem wunderschön gelegenen und gestalteten "Feirienhof" (eine Art Guesthouse mit wenig Zimmern und Zeltmöglichkeiten) Toomarahva Farmstay. Ich hatte mich schon bei der Recherche in den Hof verliebt, wir haben extra die Reihenfolge nochmal umgeplant, damit wir hier ein paar Tage verbringen konnten..
Das ganze Gelände ist sehr liebevoll hergerichtet, die Besitzerin kommt zwar anfangs etwas ruppig rüber, sie taut aber auf - und serviert wunderbaren Porridge, selbtgemachte Marmelade und Johannisbeerkuchen mit Beeren aus dem Garten zum Frühstück. Auch ein besonderes Erlebnis: ein Abend im traditionellen Saunahaus (das kleine Holzhaus da oben) - mit Holz befeuert und ohne Dusche - dafür mit zwei großen Bottichen voll heißem und kaltem Wasser und Schöpfkellen. Und über deinem Kopf der Sternenhimmel..
Bei der Anfahrt von Tallinn haben wir bei einer nicht so ganz bekannten "Sehenswürdigkeit" Halt gemacht - beim verlassenen U-Boothafen Hara Saddam, einem sowjetischen Überbleibsel. Es war wohl mal eine von nur einer Handvoll Entmagnetisieranlagen für U-Boote. Nach unserer gestrigen U-Booterkundung im Marinemuseum von Tallinn irgendwie nochmal ein besonderer Ort.
Ansonsten zerfällt hier viel Beton und es wird kräftig gesprayt - mal mehr, mal weniger gut. Auf alle Fälle eine beeindruckende Anlage - so im Nirgendwo.. (GPS-Daten: 59.5885 / 25.6199).
An unserem Ankunftstag in Altja herrschte wunderbares Abendlicht - ich habe mir also gleich die Kamera geschnappt und bin ab Richtung Meer (ca. 5 Minuten zu Fuß). Die alten, teilweise reetgedeckten Fischerhütten wurden renoviert und erinnern an alte Zeiten, als ganz Altja vom Fischfang lebte.
Die kleine Halbinsel ist umringt von Findlingen - dem Wahrzeichen Laheemaas. Die vielen rundgeschliffenen Steine hat der finnische Gletscher in der letzten Eiszeit bis hier her geschoben. Jetzt ergeben sie wunderbare Fotomotive.. ;).
Abends war mal wieder Zeit für privates Abendessen auf der kleinen Terasse - sonst käme man ja gar nie dazu, die lokalen Supermarktschätze zu probieren! Am Morgen noch frisch und warm in der Muhu Bäckerei im Tellliskivi Zentrum gekauft - das leckerste Brot mit Hanf- und Sonnenblumenkörnern. Dazu Butter, mehr brauch ich ja nicht!
Getestet wurde dazu von den Männern allerdings noch estnischer Bär in der Dose - preislich eher bei den Delikatessen einzuordnen. Geschmack deutlich nach Wild - von der Machart her erinnerte das Fleisch an Rillette..
Am nächsten Morgen zeigte sich der Himmel zwar ziemlich bedeckt, die weibliche Urlauberfraktion schnürt aber Wanderstiefel - erstmal gehts auf den Altja Trail: Eher ein Spaziergang (ca. 3,5 km), aber ein wunderschöner! Sehr abwechslungsreich führt der Weg durch lichten Wald mit Heidekraut und Heidelbeeren, an Findlingen vorbei, über den durchs Eisen dunkelrotbraun gefärbten Fluss Altja und schließlich am Meer zurück. Unterwegs zeigen sich auch endlich ein paar Prachtexemplare an Pfifferlingen!
Mit Pilzbrot gestärkt fahren wir noch ein Stückchen weiter, die Wanderlust ist noch nicht ganz befriedigt - in Käsmu startet ein längerer (15 km)Wanderweg, der sich anfangs immer am Meer entlang bis zur Spitze der Halbinsel Palganeeme windet. Anschließend gehts weiter nach Süden und im Bogen wieder zurück. Wir starten relativ spät und müssen viel fotografieren (also ich.. *hust*) - wir laufen also ca. 4 km bis nach Palganeeme und dann den gleichen Weg wieder zurück. Leider zeigt sich kein Blau am Himmel - trotzdem ein wunderschöner Weg (und nach Käsmu / den Steinen zur Teufelsinsel) wird der auch sehr, sehr ruhig und einsam..
Grooße Findlinge bei Käsmu
Abends gehts dann zum ersten Mal in die Aljta Korts, der alten Taverne in Altja - wir haben einen sehr schönen Abend und beschließen - das wird morgen wiederholt! Der letzte Urlaubstag bricht an - und wider aller Vorhersagen ist strahlend blauer Himmel angesagt. Zeit für ein bisschen Strand!
In Altja an den Fischerbooten vorbei..
.. und über die Hängebrücke..
.. und dann hat man ihn praktisch für sich allein. Den Wald, den Strand, dieses wunderbar dicke, weiche Moos.. ab und an kommt ein Wanderer oder Radler vorbei. Aber wir sind so wenige, dass es für jeden reichlich Einsamkeit am Strand gibt. Endlich das Bad in der Ostsee, wenn auch nur kurz - doch ganz schön frisch!
Die Aljta Korts, die hm, "Taverne" triffts irgendwie ganz gut liegt direkt gegenüber von unserem Bed and Breakfast und wird tagsüber auch von Bussen angefahren. Abends flaut das ganze aber ab und wir finden immer einen Platz vor der großen reetgedeckten Scheune.
Wie man sieht, bekommt das Haus gerade ein neues Dach - durchaus faszinierend, den Arbeitern dabei zuzusehen. Wir erfahren: letzte Woche hat die Firma ein Dach abgenommen, das ca. 150 Jahre alt war. Dieses hier ist noch jünger - die große Linde steht zu nah am Haus, das Dach wird zu feucht und moost zu.
Die Küche serviert einfache, estnische Hausmannskost zu sehr fairen Preisen. Den ersten Abend hatten wir Schweinsbraten mit Sauerkraut und Kartoffeln - sehr, sehr fein. Besonders zu empfehlen ist außerdem der Heidelbeerkuchen mit Sahne - durchaus eine Portion für Zwei. Gern hätten wir noch Kama-Mousse probiert (Kama ist sehr estnisch - eine Mischung aus geröstetem Gersten-, Hafer- Roggen- und Erbsenmehl. Es wird traditionell in Milch, Joghurt oder Kefir eingerührt. Man kann aber natürlich auch Desserts daraus machen..)
Man kann hier auf alle Fälle hervorragend einen Nachmittag mit Bier, Kleinigkeiten zum Bier und Spielen zubringen, danach essen und danach gehts in die Sauna. Ach, was für ein schöner letzter Abend!
Am nächsten Tag beladen wir das Auto und es geht Richtung Flughafen. Da wir gut Zeit haben, gibts noch einen Zwischenstopp im Viru Moor - dem größten Hochmoor im Laheemaa Nationalpark. Es ist schön hier, aber schon voller. Wir sind schon etwas von Soomaa verdorben - das war einfach noch weiter, viel leerer und dadurch noch beeindruckender. Außerdem durfte man in den Moorseen baden, was hier verboten ist. Trotzdem - wer nur hier die Chance auf Moor hat - unbedingt angucken! Ein schöner, ca. 6-7 km langer Wanderweg führt geradewegs durchs Moor und durch den Wald zurück zum Parkplatz. Also auch ohne Führer sehr gut machbar!
Und damit enden gute zwei Wochen Baltikum. Wir hatten eine wunderbare Zeit, tolles Wetter und eine super Reisebegleitung. Wer Lust hat auf spannende Länder, in denen irgendwie Nord auf Ost auf West trifft, auf Geschichte und vor allem auf viel Natur - der ist hier definitiv richtig aufgehoben. Ich denke, das war nicht unser letzter Besuch hier - jedenfalls hoffe ich es sehr!
Teil 1: Riga
Teil 2: Ligatne
Teil 3: Sooma Nationalpark
Teil 4: Saaremaa
Teil 5: Tallinn
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